Sonntag, 2. Oktober 2016

Momente, die bleiben {bookinspired} | Writers Diary #6




M o m e n t e

die bleiben

In Emily St. John Mandels grandiosem Werk "Das Licht der letzten Tage" gibt es immer wieder Szenen, Sequenzen, in denen ein Charakter - weit entfernt in einer 20-Järhigen, dystopisch-zerstörten Zukunftsversion - an sein früheres Leben zurückdenkt, und zwar in Momentaufnahmen. Letztendlich sind es Momente, die uns vom Leben bleiben. Unnütze, vielleicht sogar schmerzhafte, Details, die man festhält.

Mein Leben in M o m e n t e n

Die Musik vibriert durch den Boden, ich spüre sie. Ich tanze, als gäbe es kein Morgen. Hebe die Hände in die Luft und singe mit geschlossenen Augen. Rauch strömt auf die Tanzfläche, verschleiert meine Sicht, aber das ist ohnehin nicht mehr wichtig. Die Menge tobt. Die Musik ist so erlebend, so bewegend. Das Kleid klebt nass an meinem Körper, es ist so ein heißer Tag. Aber das ist egal. Nichts ist mehr wichtig. Nur noch die Musik.




Der Alkohol berauscht mein Blut. Gerade genug, um die Laune zu halten. Die Nacht empfängt uns wie ein sanfter Liebhaber mit schmeichelnder Umarmung. Nur die vorbeirauschenden Autoscheinwerfer beleuchten das Innere unseres Wagens. Mein Lieblingslied plärrt im Radio. Ich singe lauthals mit, schief, aber voller Inbrunst. Ich lege den Kopf in den Nacken und hebe die Hände in die Höhe. Meine Fingerspitzen berühren das Polster des Autodachs. Alles ist so unwirklich, irgendwie. Aber gleichzeitig habe ich mich noch nie so lebendig gefühlt.



Alte Freunde, alte Gespräche. Immer noch dieselben Sachen, über die wir lachen. Immer noch die gleiche Vertrautheit, als wären wir nie getrennt. Wir lehnen gegen die von der Abendsonne erhitze Motorhaube des Wagens, über uns erstreckt sich der Sternenhimmel. So wunderschön. Morgen zählt nicht, es gibt nur heute. Nur hier und jetzt. Mein Herz überfüllt von positiven Gefühlen. Ist es das? Fühlt sich so Glück an?



Tränen füllen meine Augen. Das Schluchzen ist so herzzereißend, berührt etwas tief in mir, von dem ich nicht geglaubt hätte, dass es existiert. Habe ich es nicht schon längst verloren, dieses bestimmte Etwas? Aber Nein, es ist noch da, du zeigst mir, dass es noch da ist. Ich kann meine eigenen Tränen nicht mehr unterdrücken. Heiß sammeln sie sich in meinem Augenwinkel und rinnen die Wangen hinab. Und weißt du was? Es fühlt sich gut an. Verdammt befreiend. Dein Schmerz ist mein Schmerz. Es tut so weh und gleichzeitig gibt es kein schöners Gefühl, als diesen Schmerz. Er zeigt mir, dass ich real bin, dass alles hier, alles, was um mich herum ist, echt ist. Der Schmerz zeigt mir, dass ich lebe.

tbc




Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen